Ein etwas satirischer Kommentar von Rolf Bünte zur ÖPNV-Vergabe
Zumindest ist dies seitens der Personen und Dienststellen, die in exklusive Verhandlung gegangen sind, so verkauft worden. Zugegeben, die europäische Verordnung und das deutsche Personen-Beförderungs-Gesetz PBefG zur Vergabe von Liniengenehmigungen oder Linienkonzessionen sind von Laien nicht einfach zu durchschauen. Zumal die Vergabe je nach Vertrag nur 1 Mal im Jahrzehnt ansteht. Ein tüchtiger Unternehmer ist da schon im Vorteil. Es ist sein vitales Interesse, die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Gesetz bietet, optimal in seinem Sinne zu nutzen und dies allen Beteiligten in einer „Hochglanzbroschüre“ frühzeitig strategisch zu verkaufen.
Ich spiele dies mal durch aus der Sicht eines Busunternehmens:
Als erstes weisen wir auf den „Sündenfall“ hin, um alle „guten Christen“ auf unsere Seite zu ziehen. In unserem Fall soll der „Sündenfall“ der europaweite Vergabewettbewerb sein, welcher die Insel schon einmal ins Au…… Chaos geführt hat. Als nächstes bieten wir den „Heilsweg“ an. Als „Heilsweg“ dient die im Gesetz genannte Eigenwirtschaftlichkeit, über die ein Vergabewettbewerb vermieden werden kann.
So. Schauen wir mal, wen wir hinter uns haben:
- Alle die einen erneuten „Sündenfall“ vermeiden wollen.
- Die zuständige Behörde des Kreises, die einen bis zu 6-stelligen Betrag einsparen kann, da sie einen Wettbewerb vermeidet.
- Die öffentliche Verwaltung, die sich nicht so tief in die Vergabeverordnung einzuarbeiten braucht und bei der eine Mitarbeit an einem ÖPNV Nahverkehrskonzept Kapazitäten gebunden hätte.
Nun fehlt noch das „Hochglanzcover“. 220 000 Euro von der Gemeinde einzunehmen wäre zwar nicht schlecht, gefährdete aber die Eigenwirtschaftlichkeit. Also verkaufen wir den anscheinend notwendigen Verzicht als etwas Selbstloses. Wir verzichten auf 220 000 Euro zu Gunsten der Gemeinde. Um den Verlust für unser Unternehmen nicht zu groß werden zu lassen, lassen wir einfach die Stadtbusse seltener fahren. Das durch diese Änderung die zu bezahlende Leistung für die Stadt nicht mehr 220 000 Euro betragen würde, sondern nur noch einen Ausgleichszahlung von 110 000 Euro erfordert, begreift so schnell sowieso kaum jemand. Unsere Mindereinnahmen betragen dadurch nur noch ca. 110 000 Euro. Umgelegt auf eine garantierte Leistung von 1 200 000 km pro Jahr sind das Mehrkosten von 9 Cent pro Buskilometer. Diese 9 Cent pro km kriegen wir problemlos wieder rein, in dem wir demnächst beim Kreis eine Fahrpreiserhöhung beantragen.
Was könnte noch in unsere „Hochglanzbroschüre“?
Ach ja, wir haben ca. 40 Busse und benötigen daher jedes Jahr neue. Wir verpflichten uns also, demnächst kontinuierlich neue Busse zu kaufen, die dann der seit 2013 geltenden EURONORM VI entsprechen. Wenn es uns nicht zu teuer kommt, sind auch E-Busse drin. Sollen ja evtl. demnächst gefördert werden. Und wir achten beim Kauf darauf, dass Rollstuhlplätze vorhanden sind. Dass unsere Busse diese schon längst haben und dass das Gesetz diese sogar ab 1.1.2022 vorschreibt – wer weiß das schon? Wir packen noch weitere gesetzliche Vorgaben als Angebot unsererseits in die Broschüre – und schon glänzt alles noch schöner.
Jetzt wird jeder unser Konzept kaufen. Außer vielleicht ein paar notorische Quertreiber in der Gemeindevertretung, die sowieso nicht die Mehrheit stellen.
Und siehe da, schon ist das Paket ohne Abstriche verkaufbar.
Gratulation an den Unternehmer. Die Unternehmung – 12 Jahre Sicherung des ÖPNV- wurde richtig angepackt und alle können glücklich sein. Wirklich alle?
Die Quertreiber in der Gemeinde haben auf die ihrer Meinung nach nicht ausreichende Berücksichtigung von sozialen Aspekten und auf die Möglichkeit eines Busfahrens auf Kurkarte hingewiesen, um unter anderem das Verkehrschaos auf der Insel zu reduzieren. Im Schwarzwald haben sich Gemeinden zusammengefunden, die eine quasi kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen im gesamten Gebiet der 147 Gemeinden anbieten. 36 Cent beträgt seit 2012 der dafür pro Gast pro Tag abgeführte Betrag (siehe Wikipedia). Nur 36 Cent? Naja, ist egal.
Hätten die Forderungen dieser Quertreiber nicht ganz oder teilweise mitberücksichtigt werden können, ohne die Verpflichtung eines europaweiten Vergabewettbewerb? Wir kommunalen Grünen sind keine mit dem PBefG vertrauten Juristen, aber es gibt eine vom Bundesverband der Omnibusunternehmer herausgegebene Broschüre:
Das ABC des PBefG:
Juristisches Grundsatzpapier und Handlungsempfehlung zum novellierten PBefG und der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007
Diese Broschüre ist auch für Verwaltungen gedacht und zeigt Möglichkeiten auf, wie unter Umständen trotz der Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages (öDA) eine EU-weiter Wettbewerb vermieden werden kann. Es gibt wohl mehrere Wege nach Rom.
Tja, wollten einige Gemeindemitglieder oder wollte die Verwaltung diesen Weg nicht ausloten? Hatte man keine Lust, sich tief genug in die Materie ein zu arbeiten? Fehlte es an Fantasie, die beteiligte Rechtsanwaltskanzlei nach Möglichkeiten der Direktvergabe eines öDAs suchen zu lassen?
Fragen über Fragen. Aber das ist heute Schnee von Gestern, denn der Zug ist abgefahren, nachdem alle Beteiligten die Unterschrift geleistet haben.
Prost!!! Ein neues (Auto….) Chaos ist vermieden worden. Hoffentlich wachen wir nicht mit einem SSP Kater auf. Das wäre so unangenehm wie ein zweiter Kropf.
von Rolf Bente